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Erst ein bisschen Gold, dann in die Sonne - Die "Kunst und Antiquitäten München"



Von Philipp Crone



Der rote Teppich liegt falsch. Die meisten Menschen im Biergarten am Nockherberg gehen quer darüber - und nicht längs. Quer geht, wer Speis und Trank auf orangenen Tabletts von der Biergartenschänke zu den Biertischen trägt und sich dort niederlassen will. Längs geht, wer den orangenen Plakaten folgt. Den führt der rote Weg ans Ende des Biergartens und ins Dunkel des Festsaals. Zur "Kunst & Antiquitäten München"-Ausstellung des Münchner Antiquitätenmarktes. Wenn sich hier drinnen die Augen des Besuchers vom gleißenden Sonnenlicht erholt haben, beginnen 2400 Quadratmeter zu funkeln. Goldene Bilderrahmen blinken im Eingangsbereich, dezent spielt ein Pianist. Unter den zwölf violetten Kronleuchtern des Hauptsaals ist es leer, erst nach einer Höhe von 2,5 Metern teilt sich die Ausstellung in mehrere Gänge und Stände auf.

Für sechs Euro Eintritt gibt es von elf bis 19 Uhr Kleines, Großes, Goldenes, Hölzernes, Gläsernes, Glitzerndes, Tickendes, Asiatisches, Biedermännisches und Römisches zu sehen und zu kaufen. Über jedem Stand hängt ein Schild mit einer Nummer, dem Namen des Händlers und seinem Spezialgebiet. Bei Nummer 27 ist etwa ein Feuer speiender Holzhund ausgestellt. Man klappe seinen hohlen Hals hoch, gebe Feuerwerk hinein, klappe wieder zu, zünde die Lunte und staune, was dem Tier entweicht. Diese Idee hatte ein Italiener im 18. Jahrhundert, heute ist sie bei Eric Meletta 8900 Euro wert. "Ein sehr ungewöhnliches Stück und eine Einzelanfertigung", sagt der gelernte Hotelkaufmann. Ungewöhnlich ist auch der Vogelkäfig daneben. Er stammt aus dem Jahr 1905, Zinkguss, einem französischen Landschloss nachgebaut und etwa 10 000 Euro wert.

Eric Meletta stellt hier mit 60 weiteren Händlern seine Antiquitäten aus. Zweimal pro Jahr. "Schwerpunkte sind Verkauf und Werbung", sagt er. Werbung macht er für sein Geschäft in der Brienner Straße, und verkauft hat er heute schon einige kleinere Stücke und einen Sessel. Trotz des guten Wetters.

Der Pianist spielt "Alle meine Entchen". Ein Ehepaar blickt verwundert von ihren Kaffeetassen auf. Sie wollen vor allen Dingen gucken, haben schon viele Antiquitäten zu Hause, sagt die Frau. Das Niveau sei gestiegen in den vergangenen Jahren. Ob sie hinterher noch in den Biergarten gehen? Der Mann lächelt, guckt sich um und sagt: " Das können wir uns nicht leisten bei den Preisen hier". Ein paar Stände weiter liegt mitten auf dem Parkettboden ein beigebrauner Hund und schläft. Um ihn herum tippeln Damen und begutachten Bilder, Möbel und Schmuck.

Aus einer Ecke beginnt es plötzlich zu bimmeln. Sechsmal. 18 Uhr, sagen elf Wanduhren von Heinz Grundner. Der 64-jährige Optiker sitzt mitten im Ticken auf einem Sessel und liest. Vor ihm ein Tisch, darauf eine Uhr im Wert von 4000 Euro, daneben ein Barograph. "Der Barograph kann eine Woche lang den Luftdruck auf einer Papierrolle aufzeichnen", sagt er. Der Barograph sieht einem Seismograph ähnlich. Der Luftdruck sei im Moment hoch, sagt Grundner. "Ein Hoch liegt über Europa". Deswegen sitzen wohl auch mehr Menschen ein paar Meter weiter im Biergarten, als durch die Gänge zu flanieren, etwa am Stand von Ortrud Müller-Heffter vorbei. In ihrer Werkstatt in München erweckt die Goldschmiedin "antike Schmuckstücke wieder zum Leben". Eine römische Bronzefibel aus dem ersten Jahrhundert vor Christus etwa versieht sie mit einer neuen Goldfassung. Oder setzt einen centgroßen hellbraunen Jaspis-Steinbock in einen Goldring ein. Den kann man dann für 950 Euro kaufen.

Gegenüber gibt es erlesene Dinge aus der Wunderkammer zu bestaunen. "Wunderkammer nannte man zur Zeit der Renaissance einen Raum, in dem Menschen ausgefallene und kuriose Dinge aus der Natur sammelten und stolz ihren Gästen zeigten", erklärt Veranstaltungsleiter Andreas Rahmer. Das sind etwa eine riesige Seychellennuss, ein Totenkopf oder Korallen. Es ist eine Mischung aus Basar und Messe im Festsaal am Nockherberg - mit der Besonderheit, dass an den Preisschildern eher mehr als weniger Nullen aufgeschrieben sind. Da ist der Barograph von Heinz Grundner mit 1250 Euro noch im unteren Preissegment. Grundner, im gestreiften Hemd mit Initialen auf der Brusttasche, packt zusammen, als die erste seiner Uhren siebenmal läutet. Später ziehen noch zwei weitere Uhren nach. Hier kommt es nicht auf die Minute an. Grundner geht raus, erst längs über den roten Teppich, dann quer zurück. Mit einer Brotzeit setzt er sich zu einigen anderen Händlern, lässt den Tag gemütlich bei einer Maß Bier in der Abendsonne ausklingen und erholt sich. Die Ausstellung hat ja gerade erst begonnen, sie geht noch bis zum 22. April.